99. Artikel Sommer 1980 und 100. Artikel Herbst 1980:

„Vom Kreislauf des Lebendigen“

Wir leben in einer Zeit, die große Entscheidung verlangt. Die Menschheit ist in ihrer Existenz bedroht, so sehr bedroht, dass man nicht selten die bange Frage hört, ob es nicht schon zu spät sei. Es ist nicht mehr getan mit den vielen „kleinen Richtigkeiten“, welche die Naturwissenschaft täglich entdeckt. Es ist nicht mehr getan mit Umweltschutz-Gesetzen und behördlichen Vorschriften, so nötig sie auch sind. Auch die wohlorganisierte Weltgesundheitsorganisation vermag das Problem, vor dem die Heilkunst steht, vor dem die ganze Wissenschaft überhaupt steht, nicht zu bewältigen. Es geht nicht um Reformen, um Reparaturen am Bestehenden, es geht um eine Reformation an Haupt und Gliedern. Es geht letzten Endes um den Menschen als geistiges und seelisches Wesen, und es geht darum, den Menschen zurückzuführen in die Gemeinschaft alles Lebenden auf der Erde, ohne die er zugrunde gehen muss und zugrunde gehen wird.

Es wird gesagt, an diesen Erscheinungen sei die einseitige Entwicklung der kausal-analytischen Naturwissenschaft schuld, die die einseitige Entwicklung des Intellektes fördere und die Menschen zum mephistophelischen Materialismus führe. Ich möchte glauben, dass auch diese Entwicklung schon ein Entartungszeichen ist, dass die Ursachen also tiefer liegen. Die Wurzeln der Krankheit an Geist und Seele, die für den sogenannten modernen Menschen der Hochzivilisation, besonders der Großstädte typisch ist, kann man an vielerlei Beobachtungen erkennen, an einfachen Beobachtungen von Lebensvorgängen, die auch heute noch allein zu großen Wahrheiten zu führen vermögen.

Was war hier in Wirklichkeit geschehen? Es ist eigentlich ganz einfach und leicht zu erkennen: Die Kulturpflanzen wurden, im Gegensatz zur Wildpflanze, mehr und mehr der Teilnahme am natürlichen Lebenskreislauf beraubt, eines Kreislaufes, der in Form des Kreislaufes der sogenannten lebendigen Substanzen und Erbsubstanzen seinen wesentlichen Ausdruck findet. Wenn man der Kulturpflanze diese ihre Daseinsgrundlage entzieht, entartet sie und wird lebensunfähig. Sie wird zugleich als Nahrung untauglich, denn sie überträgt selbstverständlich ihre Entartung auch auf alle ihre Nahrungsempfänger, auf alle höher entwickelten Organismen und natürlich auch auf den Menschen und seine Nutztiere.

Der Beweis: Dort, wo es trotz ungünstiger Umwelt, trotz widrigster Umstände gelingt, im Landbau die natürlichen Lebenskreisläufe wiederherzustellen, gewinnt sogar die künstliche Züchtung ihre Fruchtbarkeit, ihre Abwehrfähigkeit gegenüber Insekten und Krankheiten, ihre Schmackhaftigkeit und Haltbarkeit zurück, und nicht nur das: Auch im Tierstall kehrt die spontane Gesundheit und Fruchtbarkeit wieder. Und wer Augen hat zu sehen, der wird auch bemerken, dass sich das Verhalten der Tiere ändert, denn sie sind nicht mehr bösartig und aggressiv, sondern werden wieder gutmütige und willige Kameraden des Menschen, die sie früher immer waren. Es kann auch keine Rede davon sein, dass der natürliche Landbau eine arme, unrentable Sache ist, im Gegenteil: Auf organisch-biologisch geführten Bauernhöfen ließ sich ausnahmslos eine Zunahme der Rentabilität nachweisen, in einzelnen Beispielen auf mehr als das Doppelte! Ganz zu schweigen von der biologischen Güte der Erzeugnisse, deren Verzehr dem Menschen und seinen tierischen Schützlingen genau das schenkt, was zur Erhaltung der Gesundheit und Regenerationsfähigkeit gebraucht wird, ganz im Gegensatz zu den Kunstdüngerprodukten, die außerdem zum Teil auch noch wirksame Lebensgifte mit sich bringen und denen die meisten Menschen hilflos ausgeliefert sind. Wenn das alles keine beweise sind, dann weiß ich nicht, wie man überhaupt noch biologische Gesetzmäßigkeit beweisen soll.

Die Naturwissenschaft wird dem Wohl und dem Glück des Menschen und allen seinen Schützlingen unter den Tieren und Pflanzen erst dann wahrhaft dienen können, wenn sie ihre Grundkonzeption um einen ganz entscheidenden Gedanken erweitert, nämlich dann, wenn sie anerkennt, dass alles Lebendige auf der Erde schicksalhaft und unlösbar miteinander verbunden ist. Dieser Gedanke war in den Menschen seit eh und je lebendig, und er ist es auch heute – nur nicht in der Naturwissenschaft, am wenigsten in der angewandten Naturwissenschaft. Sie hat die Menschen gelehrt, sich auf Kosten der lebendigen Umwelt zu bereichern. Was der Mensch aber den Tieren, den Pflanzen und der Muttererde antut, das tut er sich selbst an. Wo das nicht-menschliche Leben der Entartung preisgegeben wird, da entartet auch der Mensch, körperlich, seelisch und geistig.

Denn „Gesundheit“ ist nichts anderes als der Besitz optimal funktionierender lebender Zellsubstanz; von diesem Besitz hängen alle, aber auch alle Lebensäußerungen der Organismen ab, auch die des Menschen, ganz gleich, ob wir sie nun als körperliche, als seelische oder als geistige Lebensäußerungen betrachten. Und damit sind wir in allem und jedem, in unserem ganzen Wesen und unserem ganzen Verhalten, in das Ganze des Lebendigen auf der Erde unlösbar integriert, unlösbar verbunden – oder nicht verbunden, eben im Falle der Entartung. Die lebende Substanz, dieses größte Wunderwerk der Schöpfung, ist Materie gewordener Geist, den wir in seinen Werken zu erkennen vermögen. Im Verhalten dieser lebenden Substanz wird sichtbar, was man „biologische Vernunft“ nennen kann, denn sie ist materialisiertes Abbild des Schöpfungsgedankens, und die Schöpfung kann nur erhalten bleiben, wenn ihr „biologische Vernunft“ innewohnt. Deshalb trägt jeder gesunde Organismus nicht nur sein eigenes Bild mit sich in Gestalt der ihm eigenen, lebenden Substanz, sondern zwangsläufig zugleich das Bild der ganzen, lebendigen Schöpfung. Und das bezieht sich nicht allein etwa auf den Menschen, sondern auf jeden lebneden Organismus. Wir dürfen es deshalb als einen Segen für die Naturerkenntnis betrachten, dass es heute nicht nur eine Psychologie des Menschen sondern auch eine Tierpsychologie gibt, und wenn nicht alles täuscht, entwickelt sich in Zukunft sogar eine Psychologie der Pflanze, die vor langer Zeit von Raoul Francè vorausgesagt wurde.

Wie wird nun in der Natur die Entartung verhindert oder beseitigt? Die Antwort auf diese Frage liefert die Direktiven für unsere zukünftige Zivilisation. Die biologische Grundlagenforschung ist heute in der Lage, die Antwort zu geben: Die Nahrungsströme, die, von der Muttererde ausgehend, alle Organismen durchlaufen, bringen mit ihrem Gehalt an lebenden Substanzen natürlicherweise alles mit, was zur ständigen Ausmerzung von Entartungsfehlern der Zellsubstanz-Garnituren nötig ist. Der Mechanismus des Abtausches lebender Substanz ist in wesentlichsten Teilen wissenschaftlich abgeklärt; dabei können auch – und das ist das Entscheidende – Lücken der Erbsubstanz-Garnitur ausgefüllt werden, ja, es können sogar neue, erbliche Eigenschaften erworben werden, sofern es mit dem ursprünglichen Zellbild vereinbar und zur Selbsterhaltung der Arten erforderlich erscheint. Auch die Wege, auf denen die Austauschsubstanz im Organismus-Stoffwechsel genau dorthin gelangt, wo sie gebraucht wird, sind heute ausreichend bekannt. Bei den Großorganismen spielt dabei das sog. lymphatische System mit allen seinen Organen, das größte Ordnungssystem des Körpers, eine sehr wichtige Rolle bezüglich der Auswahl und des Transportes der lebenden Substanzen.

Es kommt also für die menschliche Zivilisation vor allem darauf an, den Kreislauf der Lebendsubstanzen – zusammen mit ihrem sekundären Stoffbildungen und mineralischen Hilfsstoffen – intakt zu halten. Man muss zugeben, dass die Architekten der Zivilisation in den letzten 100 Jahren eigentlich alles getan haben, um den Menschen aus dem natürlichen Nahrungskreislauf auszuschließen in einem Ausmaß, wie es noch niemals zuvor gewagt worden ist. Niemand sollte sich deshalb darüber wunden, dass die Entartung zum typischen Merkmal der Zivilisation geworden ist, so sehr, dass wir auf den Beschluss der Schöpfung gefasst sein müssen, uns zu vernichten. „Wen der Herr vernichten will, den schlägt er mit Blindheit.“ Jeder Biologe, der mit der Zeit gegangen ist, vermag heute den Menschen zu sagen, was sie tun müssten, um dem Chaos der Ausmerzung zu entgehen, aber es sieht nicht so aus, als ob sie darauf zu hören vermöchten. Zu groß ist die Allmacht der Gewohnheiten, der Industrie und Institutionen, die Trägheit der Bürokratie, zu trügerisch und verlockend das künstliche Scheinleben, und vielleicht schon zu weit fortgeschritten die Entartung an Geist und Seele.

Trotzdem: Wer noch gesund genug ist, um die Gefahren zu sehen, der ist auch verpflichtet zu warnen und zu helfen. Deshalb noch einmal die Frage: Was muss geschehen, um die Entartung des Menschen zu verhindern? An erster Stelle steht die Regeneration der Lebensvorgänge in der Muttererde, von denen wir leben: Verzicht auf jede künstliche Pflanzenernährung und lückenloser Verzicht auf die Giftanwendung in der Landwirtschaft. Als zweites: Man muss lernen, den Verlust der Lebensmittel an Natürlichkeit und Lebendigkeit soweit irgend möglich zu verhindern, sowohl beim Transport und der industriellen Verarbeitung und Lagerung wie auch in der Küche. Alles das ist möglich und realisierbar. Als drittes: Verzicht auf die künstliche Medikamenten-Medizin an Tier und Mensch; auch das ist möglich, und es gibt genug der richtungsweisenden Beispiele.

 

 

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