41. Artikel Winter 1964

„Eine Stunde der Besinnung“ 

In einem täglichen Kampf um die Wahrheit muss man von Zeit zu Zeit in aller Stille seine Wege, sein Schaffen und seine Ziele überdenken, auf dass man nicht müde und wankend werde. Was ist es denn, um das wir uns Mühe geben, und was ist es, das uns zwingt, anders zu sein als die meisten, andere Wege zu suchen, von denen wir glauben, dass sie besser seien?

Man kann es mit wenigen Worten sagen: Wir glauben, dass der Mensch der modernen, technischen Vollkommenheit begonnen hat, die Fundamente seiner selbst, seines Lebens, seines Glückes, seiner Gesundheit zu untergraben, und wir glauben, dass er damit begonnen hat, sich selbst ins Unglück zu stürzen, vielleicht sogar sich selbst und die ganze, herrliche, lebendige Schöpfung Gottes zu vernichten. Und weil wir das glauben, deshalb kämpfen wir um eine bessere Erkenntnis der Natur; wer aber die Äcker bebaut, damit die „Mutter Erde“ Nahrung spende, der steht mitten im Brennpunkt des Zwiespaltes zwischen Urnatur und menschlichem Wirken, er muss sich damit auseinandersetzen.
Das ist freilich nicht Sache von Schwächlingen und Mitläufern, jener Zeiterscheinung der Ameisenmenschen, die die Großstadt und die Wohnmaschinen aus Eisenbeton geschaffen haben; sie begehren nicht mehr auf gegen Unwahrheit, Schein und Selbstbetrug, denn sie halten die Errungenschaften dieser Zeit, die kaum eine Sekunde der Weltgeschichte alt sind, für die vortrefflichsten Menschentaten, und man gibt ihnen, was sie brauchen – Brot und Zirkus nannten es die römischen Kaiser; heute heißt es Auto, Film, Fußball, Illustrierte und – möglichst viel und immer mehr Geld, um sich alles das kaufen zu können, was vom Menschsein wegführt zur geist- und seelenlosen Beschäftigung, die das Denken erspart, das Verantwortungsgefühl auslöscht und das Gewissen schweigen macht.
Auch des Bauern hat sich das Massenmensch-Denken bemächtigt. Aus dem Herrn der Scholle, der Muttererde wurde ein gehorsamer, willenloser Hilfsarbeiter einer Pflanzenfabrik. Wie konnte das geschehen? Eine kleine Teilwahrheit, nämlich die Minerallehre, erklärte man zur ganzen Wahrheit, damit war die Kunstdüngerwirtschaft geboren.
Kunstdüngung zwingt zum Saatgutbezug und zur Chemotherapie des Ackers und der Pflanze mit lebensgefährlichen und teuren Giften. Ehe aber die Schäden der Kunstdüngung auftraten hat man die Bauern längst an die Künstdüngung gewöhnt und sie hatten die Humuswirtschaft verlernt.
Deshalb kommt der Landwirt von heute gar nicht mehr auf den Gedanken, dass dieses ganz so raffiniert entwickelte industrielle System „Kunstdüngung“ eigentlich nur auf seine Kosten geht.
Wir müssen erkennen, dass die ganze Kunstdüngerwirtschaft eine Fehlentwicklung ist auf der Basis vor halben oder irrigen wissenschaftlichen Meinungen, die wir an ihren Platz stellen müssen.
Was einstmals Justus v. Liebig fand, war und ist eine Wahrheit: die wachsenden Pflanzen bauen ihr Gerüst auf aus den mineralischen Bestandteilen des Bodens. Liebig hat geahnt, dass der Mineralstoffwechsel nicht die letzte Weisheit von Pflanzengedeihen sei, sondern dass irgendetwas ganz anderes diesen untergeordneten Stoffaustausch lenke und harmonisiere. Er hielt also selbst seine Entdeckungen für eine kleine Teilwahrheit und blieb dabei nur mit natürlichen Mineralien zu arbeiten, auf keinen Fall aber mit künstlichem Stickstoff, und er war zutiefst erschrocken, als er bemerkte, was seine Nachfolger aus seinem Lebenswerk zu machen begannen.
Die Kunstdüngung war der erste Schritt, weitere folgten: der landwirtschaftliche Großbetrieb, die Eier- und Schweinefabriken, die Rindergroßviehställe usw. Hier wird unser bester Freund das Haustier ohne jede Daseinsfreude, mithilfe raffinierter Industrienahrung aus Nährstoffen, Hormonen und Antibiotika mitleidlos zur „Produktion missbraucht.
Diese Fehlentwicklung ist die direkte Folge eines einzigen falschen Gedankens, des Gedankens der künstlichen Pflanzenernährung. Der biologische Landbau ist ein Geschenk der lebendigen Schöpfung, das sie nur dem gibt, der sie verehrt und demütig ihren Gesetzen gehorcht. Der biologische Landbau ist nicht Sache der Methode, sondern Sache des ganzen Menschen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert