40. Artikel Herbst 1964

„Was verleiht dem Boden die nötige Triebkraft“

Das Wachstum von wilden oder kultivierten Pflanzen, so selbstverständlich es auch ist, kommt nur zustande, wenn sehr viele und sehr verschiedene Faktoren zusammenkommen; es hängt ab von

a) der Pflanze selbst, d.h. vom biologischen Wert des Samens, der Pflanze, der Knolle,
b) vom Boden, d.h. seiner Leistungsfähigkeit bzw. der Leistung seines lebenden Teiles und schließlich
c) von den Umweltfaktoren, z.B. Licht, Wärme, Grundwasser, Unterboden, Konkurrenzpflanzen und anderen Faktoren.

Wenn wir uns die Frage stellen, welchen Anteil daran der Boden hat, um eine natürliche Triebkraft zu haben, so schneiden wir damit ein Problem an, das für den Landbau praktisch wohl das wichtigste ist; denn auf den Boden kommt es am meisten an. Sehen wir uns die Sache genauer an, so stellen wir fest, dass sich die wichtigsten Voraussetzungen für eine natürliche Triebkraft des Bodens etwa folgendermaßen einteilen lassen :
1. Der Boden muss von Natur aus eine bestimmte Beschaffenheit haben, um fruchtbar werden zu können.

2. Gewisse Böden eignen sich nur für gewisse Pflanzungen, z.B. gibt es gute und schlechte Kartoffel- oder Weizenböden.

3. Nicht alle Pflanzen gedeihen in allen Gegenden, Breitengraden oder Höhenlagen.

4. Die Triebkraft des Bodens hängt weitgehend davon ab, wie wir ihn behandeln.

5. Die Triebkraft des Bodens hängt auch davon ab, wie wir ihn ernähren.
Schauen wir uns zunächst einmal die Punkte 1-3 an: Der Boden soll von Natur aus eine bestimmte Beschaffenheit haben, um natürliche Triebkraft zu entwickeln; man teilt deshalb ja auch die Böden in „Klassen“ ein, um ihre „Bonität“ auszudrücken.

1. Die Boden-Bonität (Tongehalt Grundwasserstand, Sandgehalt Unterboden) die vorherbestimmt ist, kann nur mit besonderen Maßnahmen (Sandzufuhr, Lehmzufuhr, Drainage, Tongehalterhöhung durch Gebrauch von Urgesteinsmehl) geändert werden.
Schwerveränderbar ist die Dicke der Krume, hier anzuwenden das Verfahren der natürlichen Bodenaufschließung, gültig für die meisten Böden; das Anbauen von tiefwurzelnden Schmetterlingsblütlern wie Klee, Lupine, Luzerne. Diesen Tiefwurzlern ist, sollen sie voll wirksam werden, viel Zeit zu lassen, mindestens eine Vegetationsperiode.
2. und

3.  Wiederbelebung der alten bäuerlichen Fähigkeit und Erfahrung dem Boden nur jene Kulturen anzuvertrauen, die dort gut gedeihen und ihm nicht bestimmte Kulturen aufzwingen, die dort keine Aussicht auf gutes Gedeihen haben.
4. Die Triebkraft des Bodens hängt weitgehend davon ab, wie man ihn behandelt.
Jedes Bearbeiten, jede Störung der natürlichen Schichtenbildung, so nötig sie auch sein mag, stört die natürliche Fruchtbarkeit. Die natürliche Fruchtbarkeit, ohne die es keinen biologischen Landbau geben kann, hängt nicht davon ab, dass der Boden mechanisch gekrümelt wird, sondern nur davon, dass er biologisch strukturiert – lebendig aufgebaut – wird. Beides hängt voneinander ab. Wo es keine Lebenstätigkeiten gibt, da gibt es auch keine natürliche biologische Krümelung, und wo es keine solche, selbsttätige Krümelung gibt, da kam auch kein Leben gedeihen und das Leben des Bodens ist im biologischen Landbau der Spender alles dessen, was für das bestmögliche Pflanzenwachstum, d.h. für die höchste Boden-Triebigkeit nötig ist.
Die natürliche biologische Bodenstruktur wächst langsam und stetig fast genauso wie eine Pflanze wächst, denn sie ist ein Lebensgebilde so ähnlich wie die Holzteile eines Baumes, der ja auch nur ganz allmählich heranwächst. Im biologischen Landbau in seiner organisierten, kontrollierten und wissenschaftlich durchdachten Form, wie es einen solchen noch nie gegeben hat, lebt der Boden, ist also auch fruchtbar und triebig, da wird der traditionelle Pflug entbehrlich, das entbehrliche Umwühlen zum Mord am Organismus Muttererde.
5. Die Triebkraft des Bodens hängt davon ab, wie wir ihn ernähren. Es handelt sich bei dieser Ernährung nicht allein um die organischen Dünger und Düngemittel sondern um die Gesamtheit der Humuswirtschaft. Die echte wirkliche Humuswirtschaft ist der gelungene Versuch die Muttererde wieder in den Kreislauf der biologischen Wirksamkeiten einzuschalten. Diese Wirksamkeiten samt den sie begleitenden Stoffen müssen aus einem voll funktionierenden Kreislauf stammen, der in allen Gliedern auf Hochtouren läuft.
Zur Düngung brauchen wir also sowohl die Pflanze wie das Tier, sowohl die pflanzliche wie die tierische Komponente.
Düngermengen und Düngerverfahren können nicht vorgeschrieben werden, die Humuswirtschaft ist und bleibt für alle Zeiten Sache der Bauern, seines biologischen Blickes, seiner eigenen Erfahrungen und Erlebnisse seines Feingefühls für das Leben des Bodens.
Der biologische Landbau ist etwas ganz anderes als der konventionelle; hier kann man die höchste Bodenleistung, die natürliche Triebigkeit nicht willkürlich herbeizaubern, indem man dem Boden diesen oder jenen „Stoff“ zufügt, sondern hier muss man die Voraussetzungen zur Fruchtbarkeit von den zwei Grundgedanken aus erfüllen :
1. Der Boden ist mit allem, was er enthält, wie er gebaut ist und wie er lebt, ein lebendiger Organismus, der zu erstaunlichen Leistungen fähig ist, wenn man mit ihm umzugehen versteht.
2. Das Bodenleben ist nur eine von allen Lebenserscheinungen und unmittelbar vom übrigen Leben abhängig; es kann dem Boden nicht gut gehen, wenn es den Pflanzen und Tieren schlecht geht, und umgekehrt.
Der lebende Bodenorganismus ist ein Glied in der Kette aller Lebensvorgänge, wahrscheinlich das wichtigste. Eine Kette ist aber nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Wer darüber nachdenkt, wird die Bodenfruchtbarkeit mit ganz anderen Augen anschauen wie bisher. Wer aber zum Humusbauern geworden ist, dem braucht man das alles nicht mehr zu sagen.

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