60. Artikel Winter 1969

Das Gift im Landbau

Jeder von uns weiß, wie prekär die Frage der Anwendung riesiger Mengen von Giften zum Pflanzenschutz geworden ist. Die Öffentlichkeit ist kritischer geworden. Die Regierungen beginnen aufmerksam zu werden, teilweise sogar zu handeln. Die Landwirte, die Gemüsebauer, die Obstplantagenbesitzer sind allmählich selbst überzeugt worden, dass es so nicht weitergeht. Die Gewissen beginnen sich zu regen.

Aus drei Gründen ist es zu dieser ausweglosen Lage gekommen:

  1. Es hat sich die chemische Prüfungs- und Produktionstechnik dermaßen entwickelt, dass sie jeden beliebigen Wirkstoff zur Bekämpfung von Schädlingen herstellen kann.
  2. Es hat die fortlaufend falsche Ernährung der Pflanzen durch Kunstdüngung dazu geführt, dass die biologischen Gleichgewichte zerstört werden und sich „Schädlinge“ seuchenhaft und ungehemmt vermehren, trotz der Giftanwendung. Das Resultat ist sowohl die Verminderung der natürlichen Abwehrkraft der Kulturpflanzen als auch die Verminderung ihres biologischen Wertes als Nahrung für Tier und Mensch.
  3. Die Betriebe wurden vergrößert um immer größere Anbauflächen zu schaffen; aus Marktgründen wurden Kulturen dort angebaut, wo ihre bestmöglichen natürlichen Wachstumsbedingungen nicht gegeben sind. Das Land wurde von Busch und Baum ausgeräumt unter Verlust des Kleinklimas, das Wasser wurde ausgebeutet.

Die Landwirtschaft ist eine Industrie geworden, eine weltweit gelenkte Großorganisation, die alles was mit der Nahrungsproduktion in Zusammenhang steht von der Bodenbearbeitung bis zum Absatz der Produkte dirigiert. Saatgut und Düngung ist vorgeschrieben, ebenso das Gift zum Pflanzenschutz. Die Umerziehung des Bauern samt ihrer Akademiker hat längst bewirkt, dass das selbständige Denken aufgehört hat und aus der Masse der Bauern ein williges Werkzeug der Großorganisation geworden ist. Ein Landbau ohne Kunstdünger, Schädlingsgift und chemische Unkrautbekämpfung gibt es nicht, auch nicht wenn man einen solchen herzeigt.

Es gibt einen solchen Landbau sehr wohl, wenn man die Riesenkräfte des Lebendigen für sich arbeiten lässt, wenn man die biologischen Gleichgewichte nicht beseitigt, die Landschaft und den Wasserhaushalt nicht stört und sich nicht durch Kunstdünger und Gift in den Stoffwechsel einmischt. Um welche Art von Giften handelt es sich, wie sie im Landbau zum Einsatz kommen? Man unterscheidet da zwei Hauptgruppen, die direkt und die indirekt wirkenden Gifte.

Die direkt wirkenden Gifte sind direkt und schwer schädigende Stoffe, also Gifte, die jeder auch als giftig kennt und die ihre Wirkung unmittelbar ausüben. Es handelt sich dabei um Stoffe, deren Giftigkeit bekannt ist und die bisher als einzige die allmählich ansteigende Furcht vor den Giften in der Landwirtschaft erzeugt haben wie zB DDT oder E 605.Die indirekt wirksamen Gifte sind noch viel zahlreicher aber am wenigsten erforscht. Es sind erst in den letzten Jahrzehnten Methoden entwickelt worden um sie zu prüfen und ihre Schadenwirkung nachzuweisen. Solche Stoffe als Pflanzenschutzmittel, als Unkrautvernichtungsmittel zahlreich und verbreitet, werden Mutagene genannt.

Um die Wirkung von Mutagenen zu verstehen, muss die Zelle verstanden werden, aus denen jeder Organismus mit all seinen Geweben, bei Pflanze, Tier und Mensch gleichermaßen besteht. Jede Zelle ist jedoch eine haargenau geordnete Organisation für lebendige Substanzen einschließlich der Erbsubstanzen deren jede eine ganz bestimmte Aufgabe erfüllt. Beim Tod der Zelle finden die lebendigen Substanzen Verwendung in anderen Zellen, dort wo sie gebraucht werden. Sie wirken im Kreislauf der lebenden Substanzen, dem allerwichtigsten Stoffkreislauf.

Im Gegensatz jedoch zur gesunden Zelle, die die ihr zugedachten Zellfunktionen voll erfüllt, kann das die kranke Zelle nicht mehr, sie versagt in irgendeiner Weise und es entstehen dann Krankheiten. Kranke Zellen jedoch können bei der Teilung immer nur wieder kranke Zellen hervorbringen und es entstehen kranke Zellgewebe. Eine Zelle ist so gesund oder krank wie es ihre lebenden Substanzen sind. Werden diese lebenden Substanzen aber durch einen Fremdstoff verändert, so werden sie letzten Endes krank und mit ihnen die Zelle und die Zellgewebe. Diesen Vorgang nennt man Mutation und die erwähnten Mutagene sind grundsätzlich Zellgifte. Eine solche Art der Vergiftung bleibt immer zunächst unbemerkt, man kann sie nicht direkt nachweisen; man bemerkt sie meist erst, wenn schon ganze Gewebe vergiftet sind und eine echte Krankheit daraus entsteht; deshalb sind die Mutagene so unheimliche Gifte. Der Schaden, der durch die breite Anwendung von Mutagenen angerichtet wird, ist viel größer als der, den die direkt wirksamen Gifte verursachen.

Mutagene sind Stoffe, die die lebenden Substanzen allüberall zu erblichen Änderungen ihrer Eigenschaften zwingen und auf diese Weise den Kreislauf der lebenden Substanzen mitvergiften. Die Mutagene sind das große Problem der ganzen Giftsache, man kann nicht behaupten sie seien lediglich für den einen Schädling oder den einen Krankheitserreger oder für eine bestimmte Pflanzenart schädlich, man muss im Gegenteil annehmen, dass sie für alles Lebende schädlich sind. Man wird daher gut daran tun, wenn man grundsätzlich jede künstlich hergestellte oder künstlich gereinigte konzentrierte chemische Substanz; auch wenn betont wird, sie sei für den Menschen unschädlich, als Gift ansieht. Jede noch so geringste Giftmenge landet letzten Endes in den Kreisläufen, diese Kleinstmengen addieren sich und können von den Entgiftungseinrichtungen der Natur, zB vom Humus, nicht mehr bewältigt werden. Das Ende vom Lied ist eine durchwegs vergiftete Natur und zwangsläufig keine gesunden Tiere und Menschen mehr.

 

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