90. Artikel Sommer 1977

„Das Wunder der Humuswirtschaft

Diesem Artikel ging die Botschaft voraus, dass Dr. Rusch vom Sanatorium in sein Heim in Südfrankreich zurückgekehrt sei.
Wir haben begründet, warum es nach unserer Auffassung keinen Kompromiss zwischen künstlicher und natürlicher Pflanzenernährung zwischen chemischen und biologischen Landbau geben kann. Das Kernstück der Kunstnahrung ist der synthetisierte Stickstoff, der in den biologischen Kreislauf eingeschleust wird, den Bodenorganismus umgeht und der Pflanze die aktive Nahrungssuche erspart. Ohne künstlichen Stickstoff verliert die Kunstdüngung den größeren Teil ihrer Wirksamkeit und würde indiskutabel. Im Mittelpunkt der Bemühung des biologischen Landbaues steht die vollkommene Ernährung des Bodenorganismus und der Verzicht auf jeden Eingriff in die Beziehungen Boden – Pflanze, sodass die Pflanze sich ihre Nahrung aus den Produkten des Bodenorganismus selbst aussuchen muss. Sie tut das mit einem von ihr selbst gelenkten Lebensvorgang, der keine künstliche Einmischung verträgt, wenn er in voller biologischer Ordnung verlaufen soll.
Es gibt also keine Möglichkeit, etwa die Kunstdüngerwirtschaft durch die Humuswirtschaft zu ergänzen und die Humuswirtschaft muss restlos auf alle Praktiken verziechten, die von der Agrikulturchemie in vielen Jahrzehnten entwickelt wurden, um die erzeugte Pflanzenmasse zu vermehren und das Wachstum künstlich anzutreiben.
Wir haben uns im Laufe unserer Arbeit am Boden oft genug gefragt, ob nicht Kompromisse möglich wären, ob sich nicht „Nährstoffe“ der chemischen Industrie im biologischen Landbau verwenden ließen, man hätte sich so die Arbeit erleichtern können. Aber am Ende jeder Untersuchung und jeder Überlegung stand das Eingeständnis, dass es keine Zwischenlösung gibt.
Wer erkannt hat, dass jeder künstliche Eingriff in den biologischen Substanzkreislauf zum Schaden der Substanz selbst geschieht, der darf nichts anderes fordern, als den Verzicht darauf.
Es liegt im Wesen der echten und vollkommenen Humuswirtschaft, dass sie ihre Existenzberechtigung und ihre Überlegenheit nun nachweisen kann, wenn sie kompromisslos auf jeden Eingriff in alle die Lebensvorgänge verzichtet, die im „Organismus“ eines Bauernhofes ablaufen. Eine einzige Stickstoffgabe, eine einzige Spritzung, eine einzige Giftbehandlung im Viehstall verhindert, dass der biologische Substanzkreislauf in Gang kommt. Das Wunder der Humuswirtschaft geschieht erst dann, wenn der Bauer, der Saatzüchter, der Viehzüchter und der Gärtner bewusst wreden, dass jede seiner Handlungen an Boden, Pflanze, Tier und Mensch Einfluss hat, nicht nur auf das Einzelne, sondern auf das Ganze.

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