48. Artikel Winter 1966

„Was ist Humus?“

Wer den biologischen Landbau in seinem tiefsten Wesen verstanden hat, der hat auch begriffen, dass es dabei um die Befreiung von herkömmlichen Begriffen geht. An die Stelle des materialistischen Denkens der letzten drei Generationen tritt das biologische Denken.

Die Naturwissenschaft der Vergangenheit betrieb ihre Forschungen in dem Gedanken, dass man alle Dinge der Natur in der Materie erforschen und durchschauen könne. So sieht der Agrikulturchemiker das Geheimnis der Fruchtbarkeit in der Verfügbarkeit von Stoffen, den Kernnährstoffen zu denen später die Spurenstoffe kamen. Fruchtbarkeit ist für ihn Materie.

Die materielle Auffassung von der Fruchtbarkeit führte dann auch ganz konsequent zu einer materiellen Auffassung von „Humus“. Mit dem Begriff der „Alten Kraft“ des Mutterbodens, wie sie dem „Alten“ geläufig war, konnte die Agrikulturchemie nichts anfangen. Nun ist aber das Wesentliche am Humus die „Alte Kraft“, die Fähigkeit, Samen und Setzlinge zum Wachstum zu bringen, zu einer aktiven Fähigkeit, zu einem Schöpfungsakt. Das Wesentliche an der Fruchtbarkeit sind Samen, Pflanzen und Humus, die Nährstoffe sind zweitrangig. Man kann Fruchtbarkeit nicht allein in Nährstoffen ausdrücken.

 

Das Entscheidende ist bei den lebendigen Dingen niemals der Stoff, sondern die Fähigkeiten des Lebendigen. Andererseits darf nicht vergessen werden, dass Leben nur mit Hilfe der Materie hervorgebracht wird und ohne das was wir Materie nennen, gibt es kein Leben.

Was ist nun aber Humus? Ist es Materie oder ist es nicht Materie? Humus ist auch Materie, wi können ihn sehen, ihn angreifen, ihn bearbeiten, aber er ist nicht nur Materie, er ist sehr sinnvoll geordnete Materie, für uns in nicht durchschaubarer Weise gebracht zu „biologischen Ordnung“ ein Gesetz nach dem die Atome und Moleküle in Reih und Glied gestellt werden. Diese biologische Ordnung macht das Leben aus und hat die Fähigkeit seine Ordnung weiter zu geben. Man nennt das die Fähigkeit zur Selbstvermehrung und das ist die Grundlage der Fruchtbarkeit!

Kann man aber nun noch sagen Humus sei Materie? Ist es nicht vielmehr diese nicht materielle Kraft, diese biologische Potenz, diese lebendige Fähigkeit, die das Wesen des Humus ausmacht? Humus ist etwas Lebendiges, das Leben vermehrt und seine Ordnung auf andere überträgt. Humus ist die Summe aller jener biologischen Ordnungen, die Gesamtheit aller der Fähigkeiten, die die lebendige Schöpfung vor unsere Augen stellt.

Humus ist nichts anderes als das lebendige Prinzip, das in allen Lebewesen wirksam ist. Das Eigentliche am Humus ist nicht der Stoff, sondern seine lebendigen Fähigkeiten, die „Alte Kraft“ wie unsere Vorväter sagten.

In die Hand gegeben ist uns im Humus die ewige Fruchtbarkeit, die wir uns dienstbar machen dürfen, wenn wir den Humus mit Ehrfurcht als das Geheimnis der Gesundheit, der Fruchtbarkeit, des ewigen Lebens, der Schöpfung betrachten.

Wir werden in alle Zukunft niemals imstande sein, das Geheimnis des Humus, seiner vielfältigen Fähigkeiten, seiner Lebensbedingungen und seiner Ordnungen zu entschleiern. Wir können Humus nur demütig für uns arbeiten lassen, weil nur er versteht, biologische Ordnungen zu schaffen und schaffen zu helfen. Gott ist nicht nur in den Menschen, er ist auch im Humus unserer Muttererde.

 

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