73. Artikel Frühjahr 1973

„Neue Forschungsergebnisse über die Ursachen des Fruchtbarkeitsschwundes bei Nutztieren“

Im organisch-biologischen Landbau ist uns aus der praktischen Erfahrung heraus seit langem bekannt, dass neben allen anderen Gesundheitszeichen im Betrieb auch der Fruchtbarkeitsschwund im Tierstall allmählich behoben wird. Dieser äußerst sich unter anderem darin, dass die Kühe seltener „rindig“ werden, dass die Zwischenkalbzeit verlängert wird, oder die Kuh „verkalbt“. Diese Krankheitserscheinungen sind aus den Intensiv-Kunstdüngerbetrieben bekannt und stellen dort eine große kostspielige Sorge dar. Die biologischen Betriebe haben diese Sorge nach wenigen Jahren der Umstellung nicht mehr. Diese Beobachtung genügt praktisch, um den biologischen Weg als richtig und notwendig auch in Bezug auf die tierische Fruchtbarkeit zu erweisen.
Was ist die Ursache dieser Gesundung? Die organisch-biologisch geführten Futterflächen erzeugen nicht nur größere Mengen an Grünfutter und Heu sondern auch eine enorme Vermehrung von nützlichen und erwünschten Kräuterarten. Es tritt ein deutlicher Wandel der Pflanzenflora ein, verursacht durch den Verzicht auf die Einmischung von Kunstdünger in die lebendigen Kreisläufe und die Pflege des lebendigen Bodenorganismus. Die tieferen Ursachen der Tiergesundheit sind in den lebendigen Vorgängen im Ablauf des Kreislaufs der lebenden und unlebendigen Substanzen zu suchen und zu erforschen. Der Weg ist von uns gewiesen auf dem man zu echten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Fortschritten gelangen kann. Die allgemein anerkannte Wissenschaft entwickelt sich sehr langsam, sie kommt trotzdem aus sich selbst heraus allmählich zu den Wegen, die wir seit langem gehen und je eher diese Wege gegangen werden, umso größer wird die Chance, die weltweite Krise der Zivilisation als tödliche Bedrohung der menschlichen Existenz zu überwinden.
Welche diesbezüglichen Forschungen die Fruchtbarkeit der Nutztiere betreffend sind bisher von der wissenschaftlichen Seite getätigt worden?
Die wesentlichen Verlautbarungen in der wissenschaftlichen Literatur stammen aus der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Autoren: Aehnelt, Hahn und zahlreiche Mitarbeiter 1963. Es ging dabei um die Fruchtbarkeit von Bullen auf niedersächsischen Besamungsstationen mit Bezug auf deren Futter. Futter von Betrieben mit hohen Mineraldüngerangaben erzeugte Störungen und Krankheiten der Hoden und Verschlechterung der Samenqualität. Nach grundlegender Futterumstellung (kräuterreiches Bergheu) verschwanden diese Übel.
Das gleiche Forscherteam veröffentlichte später Ergebnisse eines Kaninchen-Versuches, bei dem es ebenfalls um die Fütterung mit Wiesenheu aus unterschiedlicher Düngung ging. Eibildung und Eierstöcke bei der Fütterung mit ungedüngtem Wiesenheu doppelt so stark wie bei den Tieren von der Kunstdüngerheu-Fütterung.
Landwirtschaftliche chemische Bundesversuchsanstalt Linz/Donau, Autoren: Schiller, H. u. Mitarbeiter: Fruchtbarkeitsstörungen bei Rindern in Zusammenhang mit Düngung, Flora und Mineralstoffgehalt des Wiesenfutters. Ergebnisse wie oben.
F. Boas/München: „Die Wiese der Glückseligkeit“: Ein Stück Grünland als „Gesundungswiese“ in natürlichem Zustand zu belassen und das Futter dieser Wiese gleichsam als Heilmittel zu verwenden.
Eine weitere Annäherung: Die Überwindung der „Mineralstoff-Hypothese“, die auch heute noch keineswegs als Hypothese sondern als absolut gültige grundsätzliche Lehre betrachtet wird (die Pflanze ist nur im Stande die Mineralien in einfacher Ionenform aufzunehmen, was eine Mineralisation im Boden voraussetzt). Bei den Forschungs-Versuchen kam aber unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Fruchtbarkeit der Tiere nicht ganz allein davon abhängt, welche Mineralstoffe im Boden zur Verfügung stehen, sondern vorwiegend durch welche Pflanzen die Mineralstoffe verarbeiten, die dann dem Tier als Nahrung zur Verfügung stehen (Änderung der Wiesenflora).
Mit anderen Worten: Die Gesundheit eines Lebewesens lässt sich nicht am Mineralgehalt seiner Nahrung ablesen, zB. die Gesundheit einer Pflanze nicht am Elementegehalt des Bodens. Der lebende Organismus selbst entscheidet, er passt sich fortlaufend an. Im Übrigen soll bedacht werden, dass die lebendigen Vorgänge des Bodens und ihre biologische Qualität sich sehr genau in der Beschaffenheit der Mikroflora des Bodens widerspiegeln und das Leben dieser Mikroflora einen genauen Test bietet für die Beschaffenheit dessen, was der Boden der Pflanze als Nahrung bietet.
Was die Überwindung der Mineralstoff-Hypothese betrifft, haben in den letzten Jahrzehnten vielerlei Forschungen ganz eindeutig bewiesen, dass eine jede Pflanze, ein jedes Lebewesen überhaupt durchaus imstande ist, die Großmoleküle der lebenden Substanzen, ja sogar ganze Zellen und Bakterien in sich aufzunehmen. Die Mineralstoff-Hypothese dient nicht dem Bauern, sondern ausschließlich den Interessen der Kunstdüngerindustrie.
Neuerdings mehren sich in der Forschung die Anzeichen dafür, dass die Pflanzen ein eigenes Abwehr-System besitzen, ähnlich dem des Tieres. Um diese Abwehrsysteme in ständiger Bereitschaft zu erhalten ist die ständige Aufnahme lebender Substanz aus dem Nahrungsstrom notwendig. Eine Pflanze, die man zwingt, nur von mineralisierter Substanz (Kunstdünger) zu leben, verliert ihr Abwehrsystem und wird anfällig gegen Krankheiten und Schädlingsangriff.
Wenn also eine kräuterreiche Wiesenflora imstande ist, das Rind fruchtbar zu erhalten, oder ihm sogar die verlorene Fruchtbarkeit wiederzugeben, so spielen dabei die Stoffe, dh. die Mineralsubstanzen eine untergeordnete Rolle, sie sind Hilfssubstanzen. Entscheidend sind die lebenden Substanzen, die von einer reichhaltigen Wiesenflora vermittelt werden.
Die Fruchtbarkeit der Nutztiere ist abhängig von der Fruchtbarkeit der Pflanze und diese von der Fruchtbarkeit des Bodens, das ist eine große Wahrheit und solche sind immer einfach und klar auszudrücken.

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