76. Artikel Winter 1973

„Gift- oder Spurenwirkung in der Schädlings- und Krankheitsbekämpfung“

Seit Jahrzehnten haben einsichtige Menschen davor gewarnt im Landbau zur Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten hochgiftige Chemikalien zu verwenden. Man hat vorausgesagt, man werde gezwungen sein, immer größere Mengen und immer stärkere Gifte zu benutzen, weil es die sogenannten Schädlinge verstehen, sich an die Gifte zu gewöhnen und ihnen zu widerstehen, also resistent zu werden. Außerdem sagte man voraus, dass nicht nur die Gleichgewichte zwischen „Schädlingen“ und „Nützlingen“ zugunsten der Schädlinge verschoben würden, sondern dass letzten Endes das Gift nicht nur den Schädling treffen werde, sondern auch den Menschen und seine Nutztiere.
Genauso ist es nun gekommen. Die Voraussagen haben sich in jeder Beziehung als richtig erwiesen. Allmählich scheint es auch allen denen, die von den Produkten der chemisierten Landwirtschaft leben müssen, unheimlich zu werden. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusehen, dass der Ruf nach giftfreier Nahrung in absehbarer Zukunft mit jedem Jahr lauter werden wird und nicht mehr mit den üblichen Ausreden zu beschwichtigen ist. Die Menschen sind mündig geworden und beginnen ihr Recht auf saubere und gesunde Nahrung zu fordern.
Die offiziell anerkannte Landwirtschaftswissenschaft ergeht sich in einigen Resistenzzüchtungen und in der Entwicklung einiger biologischer Bekämpfungsmittel, bisher ohne praktischen Erfolg. Giftigkeit und Giftmengen steigen weiterhin ständig an.
Daraus jedoch entsteht die Verpflichtung des biologischen Landbaues über seine eigene Weiterentwicklung nachzudenken und neue Wege zur Bekämpfung von Verlusten durch Krankheiten und Schädlinge zu erschließen. Davon soll hier die Rede sein.
Schädlinge und Pflanzenkrankheiten richten nennenswerte Schäden nur bei Pflanzen an, die abwehrschwach sind, die als krank anzusehen sind. Ursache sind meist zwei Fehler: Fehler in Erbgut und Samen oder Fehler im Boden auf dem die Pflanzen stehen (Pflanzenkrankheit ist Bodenunordnung). Fehler im Erbgut von Samen und Pflanzen sind zu vermeiden, wenn Saat- und Pflanzgut auf Böden gezogen wird, die biologisch in Ordnung sind.
Sind ganze Kulturen auffällig für Krankheit und Schädling, dann liegt der Fehler im Boden, fallweise jedoch auch an einer ungünstigen Witterung oder einem ungeeigneten Boden. Jedenfalls ist die biologische Schädlings- und Krankheitsbekämpfung eine Nothilfe in Ausnahmefällen. Sie sollte auch vorbeugend, prophylaktisch in Anwendung kommen.
Wir müssen uns Gedanken machen, welche Art von Heilmethode oder Notfalls-Medizin sich mit den Grundsätzen und Zielen des biologischen Landbaues vereinbaren und verantworten lässt. In der Humanmedizin werden bisher zwei grundsätzlich verschiedene Wege in der Bekämpfung vor Krankheiten beschritten. Den einen Weg geht hauptsächlich die Schulmedizin, den anderen die biologische Medizin, die vielfach als Außenseiter betrachtet wird. Es lohnt sich die Grundsätze beider medizinischen Richtungen genauer anzusehen, wenn es um die Gestaltung der Schädlings- und Krankheitsbekämpfung im biologischen Landbau geht.

  1. Die Schulmedizin handelt nach dem Grundsatz von Bekämpfen einer Krankheit oder von Krankheitserregern durch Antibiotika bakterientötende Gifte, Hormone usw. Diese Mittel sind grundsätzlich lebensfeindlich.
  2. Im Gegensatz dazu ist die biologische Medizin bestrebt, Heilung und Verhütung von Krankheiten den Selbstheilungskräften des Organismus zu überlassen. Sie wendet sich an den „inneren Arzt“, den jeder Organismus in sich trägt und der dafür sorgt, dass die Gesundheit trotz aller Angriffe aus der lebendigen Umwelt erhalten bleibt oder dort, wo sie gefährdet ist, wiederhergestellt wird. Sie bedient sich dabei sanfter Mittel, natürlicher Arzneistoffe und Wirkstoffe. Folgerichtig lehnt die biologische Medizin den Gebrauch starkwirkender Medikamente und Gifte für die normale Krankheitsbehandlung ab, umso mehr jede Art von Vorsorge.

Wie nun leicht erkennbar, es gibt auch im Landbau eine Schulmethode, die mit starken Medikamenten und Giften arbeitet im Gegensatz zum biologischen Landbau, der die Widerstandskraft der Kulturen gegen Schädling und Krankheit stärkt und ihre Selbstheilkräfte durch eine natürliche Ernährung von Boden und Pflanze aufruft. Folgerichtig lehnt der biologische Landbau den Gebrauch von starken Medikamenten und Giften strikt ab. Es muss entsprechend dem Vorbild der biologischen Medizin eine biologische Heilkunst der Pflanze entwickelt werden für alle jene Situationen, wenn die Umstände trotz bester Bodenbehandlung ungünstig sind. Hier ist nun das Gebiet der potenzierten, homöopathischen Wirkstoffe wie sie aus Arzneipflanzen gewonnen werden.

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