81. Artikel Frühjahr 1975

„Richtlinien für die Humuswirtschaft“

Am Beginn dieses Artikels berichtet Dr. Müller zum ersten Mal von einem „Krankwerden“ von Dr. Hans Peter Rusch. Diese Berichte wurden mehr.

 

Es wird nützlich sein die Richtlinien für die Humuswirtschaft übersichtlich zusammenzufassen, die im Laufe unserer Arbeit erkennbar und in der Praxis durchgeführt worden sind. Allerdings steht der Humusbauer heute noch manchen Schwierigkeiten in der Entwicklung gegenüber. Maschinen, Dünger und Saatgut entsprechen noch nicht voll den Anforderungen des biologischen Landbaues, die Qualität der Erzeugnisse wird nicht voll bewertet. Zudem werden zunehmend allerlei „biologische“ Hilfsmittel (Dünger, Saatgut, Pflanzenschutzmittel) angeboten, denen man kaum auf den ersten Blick anzusehen vermag, was sie wirklich wert sind. Die Humuswirtschaft ist ein biologisches System, das nicht mit diesem oder jenem Hilfsmittel zustande kommt, sondern nur aus dem Begreifen des Ganzen heraus; die Methoden sind relativ einfach, denn das meiste muss die Natur selber tun, man muss eben nur verstehen, sie dazu zu veranlassen.

 

Die Prinzipien der Bodenbearbeitung

Die Bodenbearbeitung bisher als Mittel zur mechanischen Bodenlockerung, zum Aufschluss des Untergrundes und zwecks „Durchfrierung“ der Krume allgemein üblich, könnte im biologischen Landbau wegfallen, sie ist im vollgaren Boden durchaus entbehrlich. Es kann kein Zweifel mehr daran sein, dass der Stoffwechsel des Bodens durch jeden Eingriff gestört wird und niemals zu Hochleistungen kommt, wenn man immer wieder Bodendecke Zell- und Plasmagare durcheinander bringt und die Voraussetzungen für die Humusbildung beseitigt. Es ist also grundsätzlich geboten jede irgendwie entbehrliche Bodenarbeit zu vermeiden.
Auf den Tiefpflug und ähnliche gröbere Eingriffe kann man vollkommen verzichten, mit schweren Geräten wird man nach Möglichkeit nur aufs Land fahren, wenn die mechanische Schädigung gering ist, nicht zur Zeit der Hochgare. Wer den Boden als lebendes Wesen ansieht wird die richtigen Methoden finden.
Für die oberflächliche verhältnismäßig unschädliche Bodenbearbeitung wie sie zu Saat, Versetzen, Verziehen und Unkrautbekämpfung nötig ist, stehen zwar Geräte zur Verfügung, bedürfen aber noch der Vervollkommnung. Eine zukünftige Zusammenarbeit von Maschinenbau und Humuswirtschaft wird lohnende Aufgaben vorfinden.
In den Mutterböden der warmen Zonen ist die Stoffwechseltätigkeit bei genügend Feuchtigkeit durchwegs ähnlich hoch wie in den sandigen Böden der gemäßigten Zonen in der warmen Jahreszeit, bei beiden muss vermieden werden, den „Grundumsatz“ durch tiefere Eingriffe in die Struktur noch weiter zu intensivieren. Nur bei schweren Tonböden werden die Nachteile der Bodenbearbeitung durch die Vorteile der erhöhten Bodenatmung wettgemacht, bei ihnen lässt sich der von Natur träge Stoffwechsel durch die mechanische Lockerung normalisieren. Allerdings wird man anstreben bei jeder Bodenbearbeitung, ob auf leichten oder schweren Böden, mit Rücksicht auf die lebenswichtige Schichtenbildung Geräte zu benutzen, die die Krume nicht umwenden, sondern den Boden lediglich aufreißen; man kann auf diese Weise auch die Pflugsohlenbildung vermeiden, die zur Abdichtung gegen den Untergrund führt.
Wer nicht weiß, ob sein Boden der mechanischen Tiefenlockerung bedarf oder nicht, muss es am Garezustand ablesen. Ein Boden, der in mäßig feuchtem Zustand beim Einstechen feste Klumpen bildet, denen jedes Porensystem fehlt, bedarf noch der Lockerung, aber auch der organischen Ernährung (Düngung) bis ein stabiles Porensystem entstanden ist.
Allgemeine Regeln für die Bodenbearbeitung gibt es nicht, es gibt auf der Welt vielleicht nicht einmal zwei gleichartige Böden, deren biologisches Verhalten sich entspricht wie die Konstitution eineiiger Zwillinge. Dem Bauern ist zu lehren, dass sein Boden lebt, dass jeder Boden sein eigenes individuelles Leben hat und man mit ihm umgehen muss, wie mit anderen Lebewesen. Eine Regel ist immer wichtig: Auf der Höhe der Zellgare, d.h. in den wärmsten Monaten muss der Boden möglichst in Ruhe gelassen werden, in dieser Zeit bringt das Durchwühlen der Krume die größte Beschädigung der Bodenorganismen. Zu jeder Zeit jedoch vermeide man die Umkehrung der Schichten.
Die Bodenbearbeitung während der Wachstumszeit hat einen weiteren sehr wesentlichen Nachteil: Die Ausdehnung des Wurzelsystems geht weit über das Maß hinaus, das man sich bisher vorgestellt hat. Es handelt sich daher nicht nur um die gut sichtbaren Wurzeln der Gewächse, sondern um ein fast mikroskopisch feines unendlich vielgestaltiges, ständig auf- und abgebautes System von Nährwurzeln, das jede Pflanze in unglaublich kurzer Zeit zu entwickeln vermag, wenn sie genügend Plasmagare vorfindet. In Böden, die niemals bearbeitet werden (Obstbau unter der Grasnarbe) geht dieses Feinwurzelsystem weit über den oberirdischen Kronenteil hinaus, bei Obstbäumen oft mehrere Meter.
Wir haben uns das auch ganz ebenso bei Rüben, Kartoffeln, Gemüse und anderen Kulturpflanzen vorzustellen. Es ist unvermeidlich, dass selbst die schonendste Bodenbearbeitung dieses weitverzweigte Nährsystem empfindlich stört. Zwar wird der Schaden dadurch teilweise wettgemacht, dass das System rasch wieder aufgebaut werden kann und auf nicht garen Böden wird die mangelhafte Bodenatmung verbessert.
Legen wir diese Grundsätze – Störung der natürlichen Schichtenbildung und des Feinwurzelsystems durch Bodenarbeit – den kulturellen Maßnahmen der Bearbeitung von Muttererden zugrunde, so ergibt sich von selbst, dass nicht ein einziger Eingriff in den Bodenorganismus ohne Folgen bleibt und unbedenklich wäre. Man wird zugeben, dass man sich bisher ganz allgemein am Bodenleben versündigt hat und für die Zukunft gewaltig umlernen muss.

 

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